Korn und Brot das sagt sich so schnell. Und scheint heute so selbstverständlich. Doch viele tausend Jahre der Menschheitsgeschichte mußten verstreichen, bis das Brotgetreide in seiner Form dem Menschen zur Verfügung stand. Es begann mit Grassamen, nachdem unsere Vorfahren so ungefähr gegen Ende der mittleren Steinzeit entdeckt hatten, das aus Samen neue Pflanzen entstanden – Voraussetzung für den Getreideanbau. Seit etwa 6000 Jahren sind die ältesten Getreidepflanzen als Kulturform bekannt: Emmer (eine alte Weizenart), Weizen, Gerste, und Hirse.
Erst einmal entdeckt, war dann der Siegeszug des Getreides nicht mehr aufzuhalten:
Zwischen 6000 und 3000 v. Chr. breitete es sich im gesamten Orient, in Ägypten, China und Indien aus. Etwa tausend Jahre später tauchte auch der Roggen in Mitteleuropa auf. Mit Reibsteinen, Mörsern, Reibmühlen rückte man dem Getreide zu Leibe und verarbeitete es zu Schrot. Mit Wasser, Milch und Fett rührten unsere Ahnfrauen daraus einen Brei, der auch heute noch für 60% der Weltbevölkerung Grundbestandteil der täglichen Kost bedeutet.
Brot im heutigen Sinne kannte man damals nicht. Der Brei wurde auf erhitzte Steine zu kleinen rundlichen Fladen gebacken oder in heiße Asche geschoben. Durch Ausgrabungsfund in Bulgarien weiß man, daß um 300 v. Chr. Backöfen bereits gut bekannt waren. Die hierbei verwendete Bandkeramik deutet auf den Ursprung im vorderen Orient hin. Auch sogenannte Röhrenöfen benutzte man.
Sie wurden von innen beheizt, und die Teigfladen klebte man von außen drauf. In Indien arbeitet man zum Teil noch heute nach dem Prinzip, indem man die Fladen an die von der Sonne aufgeheizten Lehmhüttenwände klebt. Die Fladen mußten warm verzehrt werden, denn sie wurden nach dem Erkalten schnell steinhart – ideal als „Reiseproviant“ für die bronzezeitlichen Jäger um 2000 v. Chr. Und später für die Wikinger, lange haltbar durch den geringen Wassergehalt.
Was die Zahnärzte der damaligen Zeit davon hielten, ist nicht überliefert! Durch Einweichen in Milch oder Wasser konnte das Bauernbrot allerdings wieder in Brei rückverwandelt werden. In Finnland und einigen Alpenländern findet man es heute noch: mit einem Loch in der Mitte des Brotes zum Aufreihen auf Stangen, die unter der Zimmerdecke hängen, um das Brot vor den gefräßigen Mäusen zu schützen. Funde aus verschiedenen Orten des östlichen Mittelmeerraumes lassen darauf schließen, daß ungefähr um 1800 v. Chr. zum erstenmal Getreidebrei zu Sauerteig vergoren wurde. Diese „Entdeckung“ wird den Ägyptern zugeschrieben. Brei, der länger stehenblieb, wurde lockerer (durch Gärung). Also müßte man aus derartigem Teig auch ein lockeres Gebäck statt harter Fladen herstellen können…..
… der Vorläufer unseres Brotes war erfunden!
Schon damals gehörte ein Backofen aus Lehm fest zum Haus des Ägypters. Daneben kannte man aber auch tragbare Backöfen, drei Fuß hohe Töpfe aus Stein oder Metall (1000 v. Chr.). Nach dieser grundlegenden, grandiosen Entdeckung folgten Verbesserungen in der Vermahlungs- und Backtechnik Schlag auf Schlag. Erst drehbare Getreidemühlen, die teilweise als primitive Wassermühlen arbeiteten werden um 300 v. Chr. durch Malsteine ersetzt.
Die Griechen guckten den Ägyptern über die Schulter und übernehmen die Sauerteigherstellung durch direkte Mehlversäuerung. Auch die Germanen spitzten die Ohren und führten die Herstellung von gesäuertem Brot ein (800 v. Chr.).
In Rom beginnt man um 50 n. Chr. mit dem Sieben der zerkleinerten Getreidekörner (Schrot). Spelzen und Kleie trennt man durch gekochte Tierhäute, Ruten-, Leinfaser- und Pferdehaarsiebe vom eigentlichen Mehl, das man je nach Feinheitsgrad in drei Gruppen einteilen kann:
Pollenmehl (sehr hell),
Mittelmehl und
gröberes Mehl.
Um 400 n. Chr. gab es in Rom bereits mehr als 250 Bäckereien, z.T. auch Großbetriebe, die bis zu 30t (!) Getreide täglich vermahlten und verarbeiteten.
Im 12. Jahrhundert beginnt in Nord- und Mitteleuropa die allmähliche Verdrängung von Brei und Fladen durch gelockertes Brot. Aber nur an den Königshöfen wurde feines Brot gegessen. So konnte man die soziale Schicht gleichsam am Brot ablesen: Je härter und gröber der Fladen, desto niedriger der Stand.
Die Sklaven im alten Ägypten aßen nach wie vor Getreidebrei, während dem Pharao das feine Weizenbrot zustand. So streng waren damals die Sitten! Auch in Deutschland galten das Brot als „Herrenessen“ und Festtagskost bis nach dem 30-jährigen Krieg. Während Karl der Große auf jedem Königshof einen Müller verlangt, der gutes weißes Mehl herzustellen versteht, empfiehlt er den Schnittern auf dem Feld Haferbrei ist gesunde Morgenkost. Bereits um 1500 findet man in einem Bereich Angaben über systematische Züchtung von Hefe in Brauereibetrieben.
Die rasch ansteigenden Bevölkerungszahlen bewirken den Übergang von der Hausbäckerei zur gewerblichen Bäckerei, um die Versorgung mit dem täglichen Brot sicherzustellen. Verbesserte Siebeinrichtungen mechanisierte Walzenstühle zum zerkleinern der Getreidekörner, Putzmaschinen führen dazu, daß das Mehl immer feiner wird.
Ab 1820 spricht man vom Hochmahlverfahren. Dabei wird das Korn stufenweise in mehrfachen Durchgängen zerkleinert und ergibt mehr und helleres Mehl. Nach dem übergang von der Hausbäckerei zur gewerblichen Bäckerei gibt es kein halten mehr:
1844 wird die erste Großbäckerei in Berlin gegründet.
Wenig später entwickelt ein französischer Physiker die erste größere Teigknetmaschine.
In England wird ein neuartiger Dampfbackofen vorgestellt.
Damit ist der Durchbruch zur modernen Getreideverarbeitung geschafft: Der Spaziergang durch die deutsche Brotlandschaft kann beginnen, rund 500 verschiedene Brotsorten warten heute auf uns. Der Weg vom ersten Getreidebrei und Fladen bis zum heutigen Brot war lang und steinig. Kein Wunder, daß dieses Lebensmittel dessen Herstellung mit solchen Mühen verbunden war, heilig gehalten wurde und viele Sitten und Gebräuche sich damit verknüpfen. Brot galt als Symbol der Götter, denn die Völker des Altertum glaubten, daß diese das Brotbacken erfunden haben und die Kunst dem Menschen gelehrt hätten.
Die Griechen verehrten Demeter Göttin des Getreides und der Fruchtbarkeit. Die römische Göttin des Getreideanbaus hieß Ceres. Von ihrem Namen leitet sich die Bezeichnung „Cerealien“ für alle Getreideerzeugnisse ab.
Die Bibel berichtet an vielen Stellen über die Getreide- und Brotnahrung, denn die Sorge des Menschen ums „tägliche Brot“ beherrscht das Denken. Jede Mißernte stellte die Existenz in Frage. So erklärt sich auch die Bitte im „Vater unser“: „…unser täglich Brot gib uns heute…“ Brot das war lebensnotwendig.
Heerführer und Könige ehrte man durch eine Brotgabe, und auch Brotopfer spielten in damaligen Zeiten eine große Rolle: Als Ersatz für Opfertiere wurde von den Armen Gebäcke in Tierform in den Tempel gebracht. Berichte über mildtätige, fromme Menschen und Heilige, die den Armen und Hungernden Brot spenden durchziehen die Geschichtsschreibung. Zu den bekanntesten Wohltätern zählen der heilige Antonius von Padua und Elisabeth von Thüringen, die im Hungerjahr 1226 durch die Lande zogen und Brot und Wein verteilten. Sie gilt als Schutzheilige der Bäcker und Hungernden. Ob Opfergaben, Schmuckgebäck, Alltagskost – Brotformen und Bräuche haben sich über Jahrhunderte und Jahrtausende erhalten, auch wenn ihr ursprünglicher Sinn zum Teil verlorenging.
Die Urform des Brotes ist der runde Fladen mit leichter Erhöhung zur Mitte hin. Er war nicht größer, aber meist flacher als ein Brötchen. Der Kreutzschnitt im Brot leitet sich vom Christentum her: Durch ihn erflehte man himmlischen Segen. Gleichzeitig aber war er praktisch, denn er erleichterte das Zerteilen.
Ehen schloß man im Zeichen des Brotes. Wenn der Bräutigam der Braut vor dem Altar ein Brot reicht, so zeigt er damit seine Bereitschaft , die Familie künftig zu ernähren. Der Ährenstrauß statt Blumen für die Braut war Sinnbild des Wunsches nach enger Verbundenheit – ein ganzes Leben so nahe beieinander und vereint wie die Getreidekörner in der Ähre und später im Brot. Und auch heute noch lebt der schöne Brauch, Jungvermählten oder frischgebackenen Hausbesitzern „Brot und Salz sollen nie in eurem Hause fehlen.“ Glücksbrote mit eingebackenem Pfennig verschenkte man zur Kindstaufe oder auch beim Einzug in eine neue Wohnung. Hier und dort findet man auch heute noch Flechtgebäck als Schmuck für eine Hochzeitstafel oder aus Brotteig geflochtene Erntekronen zum Erntedankfest.
Und die „Brotzeit“ in Süddeutschland erinnert täglich an das Lebensmittel Brot – obwohl es auch anderswo Anhänger dieser beliebten Mahlzeit gibt.